Seit dem 01. Januar 2017 gelten die neuen Pflegegrade, welche die zuvor gültigen Pflegestufen abgelöst haben. Hintergrund des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) ist die Erkenntnis, dass nicht nur physische, sondern auch psychische und kognitive Beeinträchtigungen zu einer verschlechterten Alltagskompetenz führen. Dank der neuen Gesetzgebung erhalten Menschen mit Demenz oder geistigen Beeinträchtigungen infolge eines Schlaganfalles deutlich höhere finanziellen Hilfen. Das gilt auch für die häusliche Pflege durch Angehörige.
Wie wurden die neuen Pflegegrade berechnet, wenn ein Patient zuvor eine Pflegestufe hatte?
Die Überleitung von Pflegestufen in Pflegegrade geschah automatisch, wenn ein Patienten bereits eine Pflegestufe zugeordnet war. Die Berechnung erfolgte bei ausschließlich körperlicher Behinderung nach der Formel
Pflegestufe = Pflegegrad + 1
und im Falle einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz mit der Formel
Pflegestufe = Pflegegrad + 2
Was haben die Pflegegrade zu bedeuten?
Die Pflegegrade werden nach den Beeinträchtigungen zu selbständiger Lebensführung vergeben:
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung und besondere Pflegeanforderungen
Der neue Pflegegrad 1 ist für alle Menschen gedacht, die in den bisherigen Regelungen nicht berücksichtigt wurden. Durch einen Teilzugang zu den Leistungen der Pflegekasse will man deren Selbständigkeit erhalten oder wiederherstellen.
Wie erfolgt die Einstufung in Pflegegrade?
Dieser Gutachter berechnet die Zeit, die eine nicht ausgebildete Person wie ein Angehöriger für die Versorgung des Bedürftigen aufwenden muss. Da er dabei die einzelnen Tätigkeiten minutenweise anrechnet, spricht man von Minutenpflege.
Dazu verwendet er sechs Lebensbereiche mit insgesamt 64 Kriterien. Er stellt fest, ob der Patient diese alltäglichen Aufgaben
- selbständig,
- überwiegend selbständig mit nur wenig Hilfe,
- überwiegend unselbständig mit viel Hilfe oder
- unselbständig nur mit Hilfe
bewältigen kann. Für jedes Kriterium gibt es maximal neun Punkte – je unselbständiger, desto mehr. Danach werden die in einem Modul erzielten Punkte aufaddiert und die Module unterschiedlich gewichtet. Eine spezielle Formel errechnet daraus den Pflegegrad.
Die Module sind:
- Mobilität (10 %).
Wie gut ist die Beweglichkeit des Bedürftigen beim Aufstehen, Gehen oder Hinsetzen?
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15 % zusammen mit Punkt 3.).
Wie gut sind örtliche und zeitliche Orientierung? Kann sich der Patient an einem Gespräch beteiligen? Kann er selbständig Gefahrensituationen erkennen?
- Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15 % zusammen mit Punkt 2.).
Hat der Patient Ängste? Reagiert er aggressiv? Besteht Selbst- oder Fremdgefährdung?
- Selbstversorgung (40 %).
Wie gut kann sich der Patient selbst versorgen: Essen, trinken, sich waschen, zur Toilette gehen?
- Bewältigung krankheits- und therapiebedingter Anforderungen und Belastungen; selbständiger Umgang damit (20 %).
Ist der Patient in der Lage, seine Medikamente selbständig einzunehmen? Benötigt er Hilfe beim Arztbesuch?
- Gestaltung von Alltagsleben und sozialen Kontakten (15 %).
Kann der Patient seinen Tagesablauf selbst gestalten? Pflegt er seine sozialen Kontakte?
Welche Leistungen erhalten Patienten in den neuen Pflegegraden?
Neu an den Pflegegraden ist, dass nun erstmals Patienten mit vergleichsweise geringen Einschränkungen den Pflegegrad 1 und damit finanzielle Leistungen erhalten. Zu unterscheiden sind dabei Geld- und Sachleistungen sowie Leistungen bei vollstationärer Pflege.
Pflegegrad | Geldleistung | Sachleistung | Entlastungsbetrag | Leistungsbetrag |
ambulant | ambulant | ambulant (zweckgebunden) | vollstationär | |
Pflegegrad 1 | 125 € | 125 € | ||
Pflegegrad 2 | 316 € | 689 € | 125 € | 770 € |
Pflegegrad 3 | 545 € | 1.298 € | 125 € | 1.262 € |
Pflegegrad 4 | 728 € | 1.612 € | 125 € | 1.775 € |
Pflegegrad 5 | 901 € | 1.995 € | 125 € | 2.005 € |
Woher kommt das Geld für die Pflegegrade?
Die Pflegegrade finanzieren sich aus den Beiträgen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Dabei zahlen Kinderlose 2,8 % und Pflegeversicherte mit Kindern 2,55 % ihres Einkommens.
Welche weiteren Leistungen kann man nach Schlaganfall in Anspruch nehmen?
Die Pflegeversicherung kommt für etliche weitere Posten auf, die für die Pflege eines Patienten nach einem Schlaganfall notwendig werden können.
Kurzzeitpflege. Nach Krankenhaus und Reha kann es je nach häuslicher Situation und Auslastung der pflegenden Angehörigen notwendig werden, kurzzeitig eine vollstationäre Pflege in einer dafür ausgelegten Einrichtung in Anspruch zu nehmen. Ab dem Pflegegrad 2 darf man pro Jahr bis zu acht Wochen Kurzzeitpflege in einem Pflegeheimveranschlagen, entsprechend bis zu 1.625 Euro. Hat der Patient nur Pflegegrad 1, gewährt die Pflegeversicherung einen Entlastungsbetrag bis zu 125 Euro.
Pflegehilfsmittel. Pflegehilfsmittel wie Rollator, Rollstuhl und ähnliches wurden bereits zuvor Schlaganfallpatienten von der Pflegeversicherung zur Verfügung gestellt. Die neuen Regelungen ermöglichen bereits ab Pflegegrad 1 eine Versorgung mit Hilfsmitteln wie Verbrauchsmaterialien in Form von Windeln oder Inkontinenzeinlagen, die man mit bis zu 40 Euro im Monat erstattet.
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen. Häufig werden bei körperlichen Beeinträchtigungen infolge eines Schlaganfalles wohnumfeldverbessernde Maßnahmen notwendig, die dem Betroffenen das Leben in seiner gewohnten Umgebung erleichtern. Dazu gehören beispielsweise der barrierefreie Umbau des Badezimmers oder eine Rollstuhlrampe an der Haustür. Solche Maßnahmen fördert die Pflegeversicherung ab Pflegegrad 1 mit bis zu 4.000 Euro.